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Der Druckgussmarkt ist hart umkämpft. Und doch findet das deutsche Traditionsunternehmen Handtmann zusammen mit Bühler seit Jahrzehnten immer wieder Wege, sich auf dem globalen Geschäftsparkett zu behaupten. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Maschinenbaureihe Carat, die Expansion nach China und die Nummer 500.
Anja Metzger, Mai 2019
Damals drehte sich die Welt noch langsamer: Es gab noch Kaiser und Bieraufstände und bezahlt wurde in Gulden. Im Jahr 1873, vor bald 150 Jahren, gründete Christoph Albert Handtmann im süddeutschen Biberach eine mechanische Werkstatt und Messinggiesserei. Unter den ersten Produkten, die Handtmann verkaufte, waren Zapfhähne für den Bierfassanstich und Wasserhähne. Heute ist das Unternehmen in fünf Geschäftsbereichen international aufgestellt, beliefert die grossen Namen der Automobilindustrie und produziert ganze Anlagen für die Lebensmittelindustrie.
Verblüffend ähnlich klingt die Geschichte von Bühler. Die Parallelen stechen ins Auge: Beide Unternehmen hatten ihre Anfänge in einer einfachen Giesserei im 19. Jahrhundert und sind heute noch immer in Familienbesitz. Und sie sind als internationale Industriekonzerne erfolgreich. Vielleicht ist das der Grund, wieso die Zusammenarbeit zwischen Handtmann und Bühler so gut funktioniert.
Seit mehreren Jahrzehnten verlässt sich Handtmann auf Bühler als Technologielieferant im Druckguss.
Wir haben mit Bühler einen zuverlässigen Partner, mit dem wir eng zusammenarbeiten. Mein Grossvater hat bereits Maschinen von Bühler gekauft, ebenso mein Vater
Markus Handtmann,
General Manager des Handtmann Werks in China
90 Prozent des jährlichen Umsatzes im Geschäftsbereich Leichtmetallguss erreicht Handtmann mit dem Druckgiessverfahren. Von den weltweit 3 700 Beschäftigten arbeiten 2 300 Mitarbeitende in diesem Bereich und produzieren 72 100 Tonnen Aluminium- und Magnesiumteile pro Jahr. Diese werden nach dem Giessen betriebsintern weiterbearbeitet, bevor sie an den Kunden gehen, die meisten davon sind aus der Automobilindustrie. In den Hallen von Handtmann – in Deutschland, der Slowakei und China – stehen insgesamt fast 100 Druckgiessmaschinen, davon sind weit über 50 von Bühler. Ein Modell sticht dabei heraus: die Carat.
2007 hat Handtmann sich das erste Mal für dieses Modell entschieden, kurz nach der Markteinführung dieser Maschinenbaureihe. Der geringere Platzbedarf im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen und die einfache Bedienbarkeit gaben den Ausschlag. Seit dieser ersten Installation sah die Carat einen regelrechten Siegeszug bei Handtmann: Mittlerweile produziert Handtmann auf 41 Carat Maschinen Gussteile wie Strukturbauteile, Batterie- und Getriebegehäuse oder Ölwannen für Autos.
Handtmann hat mit der Carat einen Standard gesetzt. Die Firma sieht den Vorteil dieser Druckgiessmaschine darin, dass jeder die Maschine bedienen kann und dass sie die Möglichkeit bietet, viele Maschinenparameter zu verändern und so die Gussteilqualität zu verbessern. Die Carat arbeitet sehr genau. Mit ihr hat Handtmann den Einstieg in die Produktion von komplexeren Teilen gefunden. Das heisst, vor allem Strukturbauteile, also dünnwandige und damit leichtere Teile werden mit der Carat hergestellt. Gerade dieses Segment hat in den letzten Jahren einen grossen Aufschwung erlebt.
Die Carat war zum Zeitpunkt der Markteinführung eine kleine Revolution. Die Zweiplattenmaschine Carat von Bühler erzeugt die Schliesskraft über vier grosse Hydraulikzylinder. Das Kniehebelgelenk entfällt, was viel Bauraum einspart und die Schliesskraftverteilung erheblich verbessert.
«Das heisst, die Giessereien können auf demselben Platz, wo vorher eine kleinere Maschine stand, eine Carat mit grösserer Schliesskraft installieren», sagt Christoph Hartmann, Area Sales Manager bei Bühler und erste Ansprechperson von Handtmann. Gerade in Europa, wo Platz ein wertvolles Gut ist, sei dies ein entscheidender Vorteil.
Mit dem heutigen Produktionsdruck der Automobilindustrie muss auch Handtmann an allen Stellschrauben drehen, um die Effizienz in den Fabriken zu optimieren und Aufträge zu gewinnen. Ein grosser Auftrag von VW für den chinesischen Markt im Jahr 2012 gab den Ausschlag, nach China zu expandieren. Beim Bau des neuen Produktionsstandorts in Tianjin, einem wichtigen Industrieknotenpunkt mit Frachthafen, war Bühler von Anfang an als Partner mit an Bord.
Der Auftrag eilte. Ausschlaggebend für die Vergabe des Auftrags an Bühler war das Projektmanagement. Handtmann hatte in der Vergangenheit insbesonders gute Erfahrung mit der Terminplanung gemacht, Stichtermine wurden auf den Tag genau eingehalten. Die erste Druckgiesszelle konnte das lokale Team von Bühler in China 2013 termingerecht liefern und installieren. Ab diesem Zeitpunkt ähnelte das Geschehen einer Serienfertigung von Druckgussteilen: Kaum war eine Zelle fertig, baute Bühler die nächste auf – bis heute 16 Mal.
Die erste der beiden Hallen ist voll, und in der zweiten stehen mittlerweile drei Maschinen. Was Handtmann im Industriegebiet von Tianjin aufgebaut hat, ist beeindruckend. Es ist der erste Produktionsstand-ort, den die Firma direkt auf eine grüne Wiese bauen konnte. «Das haben wir als grosse Chance gesehen. Wir haben all unsere Experten zusammengetrommelt und sozusagen eine Blaupause für weitere Standorte entworfen», sagt Markus Handtmann, der mit der Expansion nach China gezogen ist und seither den Standort führt. Sauber aufgereiht steht Maschine an Maschine, links und rechts eines breiten Gangs. Tageslicht durchflutet die Halle. Ein starker Kontrast zum gängigen Bild von Druckgiessereien. Da ist nichts verwinkelt und dunkel, sondern alles ist hell und standardisiert.
Dass die 16 Maschinen alle von derselben Baureihe stammen, verstärkt diesen Eindruck. In China produziert Handtmann ausschliesslich auf Carat-Maschinen. Nur eine ist leicht anders: Eine speziell gestaltete Maschinentüre weist darauf hin, dass hier Nummer 500 steht – die fünfhundertste. je produzierte Carat. Wer schon einmal vor einer solch grossen Druckgiesszelle gestanden hat, kann sich vorstellen, wie viele Tonnen Material Bühler wohl im letzten Jahrzehnt an Kunden in die ganze Welt geliefert haben muss. «Die Carat ist unsere erfolgreichste Maschinenbaureihe bisher», sagt Hartmann, der das Projekt seitens Bühler begleitet. «Es ist eine Freude, dass wir die 500. Maschine ausgerechnet bei Handtmann installieren konnten.»
Die Einheitlichkeit der Druckgiesszellen hilft Handtmann bei der Standardisierung. Mit der neuen Maschinensteuerung DataView kann das Unter-nehmen den Prozess schnell über den Touch-Bildschirm programmieren und die Bedieneroberfläche auf den jeweiligen Benutzer anpassen. Unterstützt werden die Giesser von Bühler Servicetechnikern aus dem chinesischen Wuxi. «Glücklicherweise liefert Bühler nicht nur die Maschinen aus China, sondern auch den lokalen Service und die Ersatzteile», sagt Handtmann.
Die Firma hat in Tianjin noch Grosses vor: «Auch wenn momentan der Automobilmarkt schwächelt, sind wir sehr optimistisch und glauben, dass wir uns hier eine starke Marktposition erarbeiten können.» Nicht nur wegen der Grösse des Landes, sondern auch wegen der steigenden Nachfrage nach Mobilität werde China ein wichtiger Markt für die Zukunft sein.
Vor allem hochqualitative Strukturbauteile werden im chinesischen Markt immer stärker nachgefragt. Diese sind bei der Leichtbauweise eines Autos zentral. Das spielt Handtmann in die Hände, denn solche Teile sind die Paradedisziplin jeder Carat. Gegenüber anderen Materialien und Verfahren habe der hocheffiziente Druckguss immer noch entscheidende Vorteile, sagt auch Thomas Handtmann, CEO der Handtmann Gruppe:
Der Druckguss wird uns erhalten bleiben, da er eine gute Mischung aus Festigkeit, Leichtbau und Preiswertigkeit aufweist.
Thomas Handtmann,
CEO der Handtmann Gruppe
Markus Handtmann ist nun dabei, die Auftragsbücher der chinesischen Fabrik zu füllen. Bühler ist auch bei diesem Vorhaben ein wichtiger Partner. «Wir planen, die Zusammenarbeit in der nächsten Zeit noch zu intensivieren», sagt Markus Handtmann. «Vor allem auch in der Weiterentwicklung von Druckgussprozessen und der Verbesserung von Maschinen.» Die langjährige Familientradition lässt weder Handtmann noch Bühler träge werden. Im Gegenteil: Innovationen und das stetige Vorstossen in neue Märkte sind das Erfolgsrezept, durch das beide Unternehmen seit über eineinhalb Jahrhunderten erfolgreich sind.
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